Greifswald (stud. jur. Kati Spierling bei BECKER & JAAP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Greifswald).
Zugegeben sind Reitturniere als gesellschaftliche Ereignisse für Sportler und Pferdesportliebhaber zu Coronazeiten Wunschdenken. Nichtsdestotrotz hat der Bundesgerichtshof im Januar 2021 ein Urteil gefällt, welches für den künftigen Turniersport äußerst lesenswert ist.
Sachverhalt
Ein knapp dreijähriges Kind besuchte zusammen mit seinen Eltern ein Reitturnier. Die Eltern saßen mit Freunden am Tisch, unterhielten sich und das Kind lief auf dem Gelände umher. Dabei entdeckte es ein Pferd in einem ordnungsgemäß abgestellten Pferdeanhänger. Dieser war aufgrund der aufkommenden Hitze geöffnet. Das Kind kletterte in den Anhänger und wurde am Kopf getreten. Daraufhin stritten sich die Pferdehalterin (bzw. deren Haftpflichtversicherer), der Turnierveranstalter und die Eltern um etwaige Haftungsansprüche.
Entscheidung des Landes- und Oberlandesgerichts
Nach den Ansichten der beiden Instanzen hätte die Pferdehalterin und ihre Versicherung an den Folgekosten beteiligt werden müssen. Die Pferdehalterin wiederum hat den Veranstalter-verein verklagt. Argumentiert wurde diese Ansicht damit, dass Pferde von Natur aus eine starke Anziehungskraft auf Kleinkinder haben und weder die Pferdehalterin noch der Veranstalterverein den Parkplatzbereich unbeaufsichtigt hätte lassen dürfen.
Entscheidung des BGH
Der BGH (Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 210/18; VI ZR 194/18) entschied diesen Sachverhalt zulasten der Eltern. Nach Ansicht der Karlsruher Richter, haben die Eltern sämtliche Kosten zu tragen. Vorkehrungen, die verhindern, dass ein Kleinkind in einen Pferdeanhänger steigt, hätten im Rahmen einer solchen Sportveranstaltung nicht gesondert getroffen werden müssen. Insofern haben die Pferdehalterin und der Veranstalter ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Vielmehr dürfen sie darauf vertrauen, dass die Beaufsichtigung von Kleinkindern durch die Eltern ordnungsgemäß wahrgenommen werde. Bei einer Aufsichtsverletzung dieser Art entstünden Ansprüche aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gegen die eigenen Eltern. Der gebotene Sorgfaltsmaßstab ist hier wie bei sog. eigenen Angelegenheiten anzulegen. Demnach müssen Eltern nur für diejenige Sorgfalt einstehen, welche sie in eigenen Angelegenheit anzuwenden pflegen. Nach Ansicht des Gerichts birgt das dynamische Geschehen bei einem Reitturnier eine hohe Gefahr für ein Kleinkind, so dass die Beaufsichtigung engmaschig erfolgen müsse. Im vorliegenden Fall handelten die Eltern durch ihren „Klönschnack“ grob fahrlässig und haften somit vollumfänglich.