FN-Verbandsrat: Rückblick auf Erfolge und Herausforderungen
[Quelle: Warendorf, Deutsche Reiterliche Vereinigung, Uta Helkenberg]
Es gab viele sportliche Erfolge zu feiern, aber auch die eine oder andere Herausforderung zu meistern – zum Abschluss der Jahrestagung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Hamburg zog die Verbands-führung im Verbandsrat eine gemischte Bilanz unter das zurückliegende Jahr.
„Sportlich waren es tolle Tage und mit 17 Medaillen insgesamt die erfolgreichsten Weltreiterspiele aller Zeiten für die deutsche Mannschaft. Als erste Sportart in Deutschland erreichten wir alle möglichen Quotenplätze für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tokio 2020“, erinnerte Generalsekretär Soenke Lauterbach an die Erfolge bei den Weltreiterspielen 2018 in Tryon/USA. Er vergaß aber auch nicht, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der teilweise chaotischen Organisation zu erwähnen, die der deutschen Teamführung eine ebensolche Höchstleistung hinter den Kulissen abverlangte, wie den Aktiven im Viereck, auf dem Zirkel, im Gelände oder Parcours. Einmal mehr hoch erfolgreich waren auch die deutschen Nachwuchssportler. Disziplin- und altersklassenübergreifend errangen sie bei ihren Championaten 38 Medaillen, 17 Mal stand der Nachwuchs auf dem obersten Treppchen des Siegerpodestes. Das Jahr 2018 war aber auch von Schlagzeilen geprägt, die von dem Fehlverhalten einer kleinen Gruppe junger Springreiter abseits des Parcours berichteten. „Am Ende stehen nun eine Kadersuspendierung, eine Verurteilung durch unsere Verbandsgerichte und ein ganzer Katalog von Änderungen unserer Satzungen, Regeln und Verfahren bei FN, DOKR und Landesverbänden“, sagte Lauterbach. Diese geben unter anderem den rechtlichen Rahmen dafür, eine Jahresturnierlizenz oder Richterqualifikation bei Fehlverhalten zu entziehen. Darüber hinaus wurde eine Promillegrenze für Alkoholgenuss im Turniersport eingeführt.
Die Statistik für 2018 hatte es bereits deutlich gezeigt: Weniger Turniere, weniger Prüfungen, weniger Starts – der Turniersport ist deutschlandweit rückläufig. „Der Leistungssport benötigt ein stabiles Fundament im Turniersport. Das stabile Fundament hat Risse bekommen“, sagte Dr. Dennis Peiler, FN-Geschäftsführer des Bereichs Sport. „Wir müssen nicht in Panik geraten, aber das Fundament in Stand setzen und an der richtigen Stelle das Richtige tun.“ Als wichtigen Baustein nannte er beispielsweise den angestoßenen Strategieprozess Turniersport 3.0, in dem Vertreter des Dachverbandes, der Landesverbände sowie externe Experten gemeinsam an der Zukunft des Turniersports arbeiten. „Hier diskutieren wir Fragen wie: Sind wir als Verband mit dem was wir tun noch richtig aufgestellt? Oberstes Ziel muss sein: Turnierreiten, Turniere veranstalten und Turnierreiter ausbilden muss attraktiv sein“, betonte Peiler.
Im Zusammenhang mit der Turniersportstatistik wies Peiler auch auf anhaltenden Männerschwund im Pferdesport ein. Dieser macht sich auch bei Vereinsmitgliedern bemerkbar (-2,55 Prozent), konnte da aber fast vollständig durch einen Zuwachs an Frauen ausgeglichen werden. „Unser Ziel muss es sein, ein möglichst gesundes Geschlechterverhältnis zu erhalten. Ich fordere uns alle dringend auf, Projekte zur Stärkung der Jungs ins Leben zu rufen. Wir waren auf dem Gebiet schon mal besser“, sagte Peiler. Das betrifft auch die Ausbildung. „Wir haben aktuell rund 85 Prozent lizensierte Trainerinnen, bei den Erstausstellern sind es sogar 90 Prozent. Wir müssen aufpassen, dass uns hier die männlichen Vorbilder nicht verloren gehen.“
Die Überarbeitung der Leitlinien Tierschutz im Pferdesport, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) herausgibt, verlief im vergangenen Jahr weitgehend harmonisch. „Mit unseren Experten haben wir uns darauf gut vorbereitet und intensiv eingebracht. Natürlich mussten wir ein paar Kompromisse machen. Insgesamt konnten wir aber mit fast allen unseren Positionen überzeugen und die Leitlinien so gestalten, dass sie Sport und Zucht nicht im Wege stehen“, sagte Lauterbach. Nicht einverstanden ist der Verband allerdings mit vorgesehenen Formulierungen im Kapitel zum Ausbildungsbeginn junger Pferde. Hier sollen beispielsweise der Stallwechsel eines jungen Pferdes nur mit einem ihm vertrauten Artgenossen oder die Gruppenhaltung der jungen Pferde zu Beginn ihrer Ausbildung vorgeschrieben werden. „Das ist fern jeder Praxis“, sagte Lauterbach. In weiteren Gesprächen mit dem zuständigen Ministerium will die FN nun auf eine Änderung dieser Formulierungen in den Leitlinien Tierschutz im Pferdesport hinwirken.
Nach eineinhalb Jahren hat sich das neue Berliner Büro der FN gut etabliert. Nicht zuletzt darauf war eine absolute Rekordbeteiligung am achten parlamentarischen Abend der FN in den Räumen der DKB zu verdanken. „Es waren fast 50 Bundestagsabgeordnete bei uns. Bundesministerin von der Leyen, Fraktionschefin Nahles sowie vier Staatssekretäre“, sagte Lauterbach. „An solchen Abenden gelingt es uns, Themen zu platzieren, Verständnis zu schaffen und unsere Anliegen zu transportieren.“ Auch die Arbeit im umweltpolitischen Raum trägt Früchte. „Pferdesport ist auch Naturerlebnis. Pferdebetriebe liegen am Stadtrand und auf dem Land. Sie sind Lebensraum für viele, viele Tier- und Pflanzenarten“, sagte Lauterbach und gratulierte Gerlinde Hoffmann zur Initiative „Pferde fördern Vielfalt“, die 2018 Projekt des Jahres der UN-Dekade Biologische Vielfalt geworden war. Gerlinde Hoffmann leitete seit 2001 bis Ende April 2018 die Abteilung Umwelt und Pferdehaltung der FN und wurde in Hamburg mit der Graf-Landsberg-Medaille in Gold ausgezeichnet.
Ebenfalls die Graf Landsberg-Medaille in Gold gab es für den scheidenden Verlagsleiter Siegmund Friedrich, der seit 1988 mit viel Herzblut das Programm des FNverlags gestaltete und dafür sorgte, dass aus dem Richtlinien-Verlag der Branchenprimus in Sachen Pferdesportliteratur wurde. Seinen letzten großen Auftritt für den FNverlag hatte Friedrich auf der Equitana in Essen, wo er im Kleinen Ring durch das FN-Programm führte. Seit es die Messe in Essen gibt, ist die FN dort präsent. „Dieses Jahr habe ich eine Veränderung beobachtet. Eine Veränderung hin zur klassischen Reiterei. Noch nie waren so viele unserer Toptrainer und -reiter vor Ort und haben gute, klassische Ausbildung gezeigt“, sagte Lauterbach.
Ein wichtiges sportpolitisches und gesellschaftliches Zeichen setzen der Kutschenführerschein, den es bereits gibt, sowie die Pferdeführerscheine Umgang und Reiten, die mit der Ausbildungs-Prüfungs-Ordnung (APO) 2020 etabliert werden. „Bislang wurden rund 20.000 Kutschenführerscheine ausgestellt. Wir haben damit etwas geschaffen, das sehr anerkannt wird und zeigt, wie wichtig Sicherheit für Mensch und Tier sowie ein entsprechender Qualifikationsnachweis sind“, so Lauterbach. „Dieses gute Ergebnis haben wir genutzt und etablieren mit der neuen APO 2020 nun auch für alle anderen Pferdesportler die beiden Pferdeführerscheine Umgang und Reiten. Der Pferdeführerschein wird Nachweis sein dafür, dass ich sicher mit meinem Pferd umgehen kann, sei es bei der täglichen Pflege, beim Ausritt in Feld und Flur, auf der Straße oder auf dem Reitplatz.“
Gute Neuigkeiten gab es in den vergangenen zwölf Monaten im Zusammenhang mit der Pferdesteuer. „Der Brandherd Tangstedt wurde gelöscht. Die Aktivisten vor Ort und die Verbände haben sich unglaublich eingesetzt und schließlich erreicht, dass die Landesregierung in Schleswig-Holstein sogar ein Gesetz gegen die Pferdesteuer erlassen hat“, sagte Lauterbach. Sogar im Ursprungsort der Pferdesteuer, Bad Sooden-Allendorf, wird diese bald wieder abgeschafft. „Hinterher ist man immer schlauer“, so der Bürgermeister von Bad Sooden-Allendorf.
LPO Änderungen verabschiedet
Wer das Goldene Reitabzeichen hat, kann stolz auf sich sein. Anders als alle anderen Reitabzeichen kann das „Goldene“ nicht durch eine Prüfung, sondern nur durch sportliche Erfolge erworben werden. Darüber hinaus gilt ab sofort für alle Dressur- und Springreiter, dass die entsprechenden Erfolge auf mindestens fünf unterschiedlichen Turnierplätzen erbracht worden sein müssen. Neu ist auch die Zahl der tatsächlich zu erringenden Siege für die Verleihung des „Goldenen Reitabzeichens“ in der Dressur. Grundsätzlich sind zehn Siege auf S-Niveau erforderlich. Bislang konnten allerdings alle zehn durch Platzierungen an 2. bis 5. Stelle in Grand Prix und Grand Prix Special ersetzt werden. Ab 2020 können nur noch fünf der zehn Siege durch Platzierungen in S*** und S**** ersetzt werden und auch nur dann, wenn mindestens 68 Prozent erreicht wurden.
Bislang ein No-Go, künftig aber – neben Mecklenburg-Vorpommern in allen Landesverbänden – möglich, sofern die Ausschreibung es erlaubt: der Start „außer Konkurrenz“, also ohne Wertung und ohne Platzierungsmöglichkeiten. Mit dieser Neuerung soll es Reitern mit einer zu hohen Leistungsklasse ermöglicht werden, ein Pferd zu Trainingszwecken in einer niedrigeren Prüfung zu starten. Ein Start „außer Konkurrenz“ ist daher nur in Prüfungen der Klasse E bis L und nicht in startplatzbegrenzten Prüfungen möglich. Die Pferde sind in anschließenden Prüfungen derselben Disziplin auf demselben Turnier nicht startberechtigt. Die Anzahl der zulässigen Starts je Reiter pro Prüfung sowie je Pferd pro Tag gilt inklusive der Starts „außer Konkurrenz“, ferner gelten die üblichen Voraussetzungen, d.h. das Pferd muss fortgeschrieben sein und der Reiter eine gültige Jahresturnierlizenz besitzen. Der Start „außer Konkurrenz“ muss mit der Erklärung der Startbereitschaft angemeldet werden.
Weitere Neuerungen betreffen vor allem Erleichterungen für die Veranstalter. So ist ihnen die Auszahlung von Geldpreisen künftig in allen nationalen Prüfungen freigestellt, nicht nur bis Klasse M sondern einschließlich Klasse S. Ferner dürfen weitere Veranstaltungsgebühren im Zusammenhang mit der Teilnahme an Turnieren erhoben werden, sofern sie in der Ausschreibung transparent aufgeführt und von der zuständigen Landeskommission bzw. der FN genehmigt wurden.
Ein anderer Trend führt zu einer Regelwerksänderung im Voltigieren. „In jüngster Zeit beobachten wir mit Sorge, dass viele M-Gruppen nicht aufsteigen wollen, da sie dann die Zahl der Mitglieder von acht auf sechs reduzieren müssten. Das fällt vielen schwer, ist jedoch nicht im Sinne der sportlichen Weiterentwicklung. Der Beirat Sport beschloss daher, die Zahl der Gruppenmitglieder auch bei S-Gruppen auf acht zu erhöhen. Gleichzeitig wird der „Zwangsaufstieg“ von M-Gruppen eingeführt, sofern sie drei Mal eine Wertnote von 6,5 und besser erzielt haben. „Dadurch werden nicht nur S-Gruppen gestärkt, sondern auch die M-Gruppen geschützt. Zudem erhoffen wir uns durch eine steigende Anzahl an S-Gruppen ein größeren Teilnehmerfeld bei den Deutschen Meisterschaften“, so Terharen. In Folge der Veränderung wird die Zeitdauer in der Pflicht bei S-Gruppen auf eine Minute pro Gruppenmitglied erhöht.
Mindestnote bei Hengstleistungsprüfung bleibt
Der Beirat Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) hat sich für die Beibehaltung der Mindestnote bei Hengstleistungsprüfungen in der Reitpferdezucht ausgesprochen. Nach intensiven Diskussionen votierten die Delegierten der Zuchtverbände mehrheitlich dafür, das bisherige System beizubehalten. Die Zuchtverbände beschlossen mehrheitlich, den Nachkommen von Hengstbuch II-Hengsten in der Anpaarung mit Stutbuch I- und Stutbuch II-Stuten einen so genannten Abstammungsnachweis II auszustellen und ihnen damit mehr Privilegien im Turniersport einzuräumen, beispielsweise die Eintragung in die Liste I der Turnierpferde, die Möglichkeit sich für die Bundeschampionate oder die Weltmeisterschaften der jungen Pferde zu qualifizieren. Ein Zusatz im Pferdepass („Zum Zeitpunkt der Passausstellung erfüllt der Vater des Pferdes die Eintragungsbedingungen in das Hengstbuch I nicht oder noch nicht.“) dokumentiert allerdings, dass Pferde mit einem solchen Abstammungsnachweis II beispielsweise nicht oder noch nicht körfähig sind. Diese Bestimmungen gelten für alle der FN angeschlossenen Zuchtverbände und zwar bereits für Fohlen, die aus Bedeckungen des Jahres 2019 hervorgehen und im Jahr 2020 geboren werden.